Sonntag, 12. Oktober 2014

Bericht über den Börsentag Berlin 2014 und Ausblick auf die Kapitalmärkte

Am Samstag, 11.10.2014 fand in Berlin am Alexanderplatz die Anlegermesse Börsentag Berlin statt. Natürlich möchten die Aussteller bei diesem Event Publicity für ihre eigenen Produkte machen. Daher sind sie besonders daran interessiert möglichst viele Kontaktdaten zu sammeln oder gleich ein Abonnement abzuschließen bzw. etwas zu verkaufen. Persönlich interessiert mich an derartigen Veranstaltungen, wie sich diejenigen am Markt positioniert haben, die sich professionell mit der Börse beschäftigen. Und besonders auf die zugrunde liegenden Begründungen und vermuteten Szenarien war ich gespannt. Hier nun ein kleiner Bericht für alle, die nicht dort waren.

Zunächst einmal ein kleiner Rückblick vom Börsentag Berlin aus dem Jahr 2013.
DAX 10.000, kein Crash am Aktienmarkt, Gold eher seitwärts, aufkommende Inflation, das war die Kurz-Zusammenfassung des letzten Jahres. Bis auf die Inflation - dazu kommen wir später noch einmal zurück - war die vorherrschende Meinung im letzten Jahr gar nicht so schlecht.

Viel Aufmerksamkeit erhielten die Anbieter von Trading-Plattformen. Im Gegensatz zum langfristigen Investieren, passiert beim Trading bereits in kurzer Zeit schon etwas, das heißt in wenigen Tagen oder gar nur Stunden. Neben weiteren Möglichkeiten aufgrund des mobilen Internets, wird zudem auch die Technik von Handelsplattformen immer ausgereifter. Zudem hat man als Marktteilnehmer die Möglichkeit mannigfaltige Wertpapiere aus aller Welt zu handeln. Meistens denkt man an Aktien, aber der Handel mit Devisen, also das Traden von Währungspaaren, weist ein deutlich größeres Volumen auf. Im Jahr 2013 lag der tägliche(!) Umsatz am Devisenmarkt bei über 5 Billionen US-Dollar. Das flexible Handeln über 5 Tage in der Woche und die Möglichkeit dies rund um die Uhr zu tun, macht das Forex Trading für viele Menschen so attraktiv.

Die Veranstaltung war trotz des anfänglichen Regenwetters überaus gut besucht. Obwohl mehr Vorträge in mehr Räumen gleichzeitig stattfanden, mussten einige Besucher stehen oder auf dem Boden sitzen. Wie in den letzten Jahren bereits beobachtet, waren die männlichen Besucher fortgeschrittenen Alters deutlich in der Überzahl, wobei ich subjektiv etwas mehr Frauen wahrgenommen hatte, als in den letzten Jahren.
Die jüngeren Frauen und Männer interessierten sich nach meiner Beobachtung jedoch weniger um den klassischen Vermögensaufbau als um Trading und Social Trading. Gerade mit dem Social Trading erreicht das Geschehen an den Kapitalmärkten offenbar auch mehr die jüngere Generation.

Bei den von mir besuchten Vorträgen gab es im Detail durchaus differenzierte Ansichten der Börsenteilnahme, wobei die unterschiedlichen Ansätze meiner Meinung an dieser Veranstaltung ziemlich reizvoll ist. Hier die Kurzzusammenfassung der von mir besuchten Vorträge.

Alfred Maydorn - Der Aktionär
Leitsatz: Augen auf beim Aktienkauf - Wie Sie richtig Ihr Geld verdienen
  • Ist ein Trendfolger, blickt nur auf Kursgewinne, Dividenden spielen quasi keine Rolle
  • Stimmung an der Börse ist und war nicht besonders gut, daher sollte es vorläufig keine herben Rückschläge bei Aktien-Indizes geben
  • Bei Einzel-Aktien auf das Potential eines Kursverdopplers achten. Trading-Strategie z.B. Einstieg in drei Drittel, sofern der Kurs weiter steigt. Nach 100 Prozent Gewinn den halben Einsatz als Gewinn mitnehmen
  • Wenn Aktien stark fallen, dann hat das fast immer einen guten Grund, mit erhöhter Chance für weitere Kursverluste
  • Aktien nachkaufen bzw. verbilligen nur in Ausnahmefällen, wenn etwas 30 Prozent fällt, dann konsequent verkaufen
  • Man sollte sich auf Branchen fokussieren, die hohe Wachstumschancen haben, hier gibt es gute Chancen für kräftige Kursgewinne, z.B. M2M - machine to machine - Kommunikation zwischen Hardware (z.B. elektronische Mausefallen), Biotechnologie, Internet (YY spannender als Facebook)
  • Z.B. Flugzeugbranche kein Wachstumsmarkt, daher Aktien wie Lufthansa meiden

Dr. Matthias Kelm - Tareno (Luxembourg) S.A.
Leitsatz: Was Sie schon immer über Vermögensanlage wissen wollten
  • als sichere Geld-Anlagen werden von der breiten Masse Immobilien, Staatsanleihen, Bankeneinlagen und Bargeld angesehen, Historie hat jedoch gezeigt, dass diese Anlagen nicht sicher sind
  • fast alle Staaten sind extrem verschuldet und Zahlungsunfähigkeit wird zukünftig nicht ausbleiben
  • Banken haben lediglich geringe Einlagen von wenigen Prozent physisch zur Verfügung
  • Die stabilste Zentralbank der letzten Jahrzehnte - die Schweizer Zentralbank - hat ihre Währung in den letzten 60 Jahren durch Inflation um 80 Prozent abwerten lassen. In allen anderen Staaten hat die Währung durch Inflation noch mehr an Wert verloren
  • eine durchschnittliche Immobilie in Deutschland hat seit 1990 nach Abzug der Inflation einen realen Wertverlust von minus 7 Prozent gebracht
  • Analysten scheitern regelmäßig mit ihren Prognosen über die zukünftige Marktentwicklung, daher ist eine zuverlässig Prognose nicht möglich
  • nur ein Drittel aller aktiv gemanagten Fonds sind etwa so gut wie der Marktdurchschnitt oder besser, aber es sind längst nicht immer dieselben Fondsmanager
  • Daher klare Aussage: Anleger sollten konsequent in Indexfonds (ETFs) investieren. Dabei jeweils gut diversifizieren und regelmäßiges Rebalancing durchführen
Björn Kising - Vermögensverwaltung Dr. Markus Zschaber
Leitsatz: Status 2015: Krise, Konjunktur, Inflation, Kapitalmärkte
  • extreme Staatsschulden, die immer weiter anwachsen und Zentralbanken werden weiter Staaten unterstützen müssen
  • massive Bankschulden
  • Zinsen werden lange niedrig bleiben - auch in den USA. Denn sie können gar nicht deutlich ansteigen, weil sonst Staaten und Banken die Zinsen plus Tilgung nicht mehr bedienen können
  • speziell in der Eurozone sind Schuldenabbau oder ein Herauswachsen unrealistisch, es kann nur den Weg über die Inflation gehen. In Verbindung mit dem niedrigen Zinsumfeld setzt sich die finanzielle Repression fort
  • Inflationsraten in Deutschland zwischen 2015 und 2021 zwischen 3 und 5 Prozent, EZB wird darauf nicht reagieren, Politik wird verharmlosen: "Nur eine kurzfristige Maßnahme"
  • Mit 80 Prozent Wahrscheinlichkeit wird das weniger schlechte Szenario für Deutschland mit einem Niedrigzinsumfeld, Inflation und finanzielle Repression erwartet. Die schleichende Enteignung von Vermögen setzt sich also fort
  • Mit immerhin 20 Prozent Wahrscheinlichkeit wird ein sehr negatives Szenario angenommen mit einem Aufflammen der Finanz- und Bankenkrise sowie einer Währungsreform. Damit verbunden wäre eine aggressive Enteignung durch Vermögensschnitte, jegliche Liquidität sollte dann nach Kanada, Norwegen, Neuseeland, Australien oder Singapur verlegt werden, Schweiz wegen drohender Kapitalverkehrskontrollen weniger geeignet
  • Von einer Aktienblase sind wir weit entfernt, wir haben eher eine Anleihenblase
  • wegen niedriger Zinsen über die nächsten Jahre - mit Schwankungen - weiter gutes Aktienumfeld, aktuelle Korrektur Anfang Oktober 2014 wird unverzüglich für strategische Aktien-Käufe genutzt.

Thomas Timmermann & Sophia Wurm - Commerzbank AG
Leitsatz: Kapitalmarkttrends, technische Markteinschätzung & Anlagestrategien
  • Konjunkturdaten sind dem DAX in letzten Monaten nicht weiter aufwärts gefolgt, daher jetzt die Korrektur von 10.000 auf unter 9.000 Punkte
  • Aus einem eigens bei der Commerzbank entwickelten vorlaufenden Indikator ergibt sich aber lediglich eine Konjunktur-Delle und keine Rezession für Deutschland
  • Charttechnisch ist in der letzten Woche einiger Schaden bei Aktienindizes angerichtet worden. DAX ist mittlerweile fair oder bereits leicht günstig bewertet, aber könnte mitunter noch Richtung 8.200 Punkte fallen
  • Sobald sich Stabilisierung beim DAX einstellt, bieten sich wegen des schwachen Euro Unternehmen zum Kauf an, die hohe Umsätze in China und den USA haben. Linde, Bayer, Merck, BASF, BMW und Daimler wurden genannt
  • Charttechnisch sind derzeit im DAX Allianz, Bayer, Merck und Fresenius Medical Care favorisiert
  • Euro Stoxx zuletzt stärker als DAX, die Zeit als deutsche Aktien in Europa am besten performt haben ist erst einmal vorbei
  • Für die nächsten Monate gibt es in der Eurozone aus Sicht der Charttechnik Kaufempfehlungen in den Sektoren "Health Care" und "Insurance" und mit Einschränkungen in "Technology"
  • S&P 500 hat mittelfristigen Aufwärtstrend gebrochen und dürfte vorläufig eher seitwärts laufen
  • Aus Sicht der Charttechnik sind die wirtschaftlich größeren Schwellenländern interessant, bei Russland sollte man allerdings erst eine Stabilisierung des Abwärtstrends abwarten

Beispiel einer Anleihe, die von vielen
anderen Marktteilnehmern vermeintlich
übersehen wurde (mehr dazu im Text)
Uwe Günther - BPM - Berlin Portfolio Management GmbH
Leitsatz: Ertragreich und entspannt investieren - auch in unsicheren Zeiten

Den zeitlosen Leitsatz fand ich interessant und war gespannt, was dahinter steckt. Für ihre Investment-Strategie haben sie kürzlich erst einen zweiten Platz bei einem Wettbewerb gewonnen.
  • Alle reden oder erwarten Inflation in Deutschland, aber derzeit beschäftigen die Eurozone insgesamt eher Deflationsgefahren. Bei einer Deflation ist Bargeld und generell schnell verfügbare Liquidität gefragt
  • Einer der fundamentalen Grundsätze beim Investieren von Kapital ist die Tatsache, dass Verluste durch einen höheren Gewinn wieder aufgeholt werden müssen. Bei einem Verlust von 50 Prozent muss das Investment anschließend 100 Prozent zulegen, um als Anleger wieder bei 0 anzukommen.
  • Grundsätze bei der Marktteilnahme sind: immer mehrere Ertragsquellen aktivieren; laufende Erträge wertschätzen; genauer anschauen, was keiner mag; Liquidität als Anlageklasse erkennen; nicht alles glauben was man sieht; sich selbst und andere hinterfragen
    Daraus folgt: liquide bleiben; Multi-Asset-Ansatz verfolgen; globales Anlageuniversum nutzen; Fehlbewertungen finden und nutzen
  • Aktienmarkt nimmt einen deutlich kleineren Anteil als Anleihen am globalen Kapitalmarkt ein. Daher sucht Vermögensverwaltung vor allem nach Ineffizienzen im globalen Anleihenmarkt.
  • Märkte sind nicht immer effizient, es wurde ein Beispiel einer Anleihe von Royal Bank of Scotland mit italienischer ISIN und deutlich höherer Verzinsung gezeigt. Viele Marktteilnehmer hätten damals Wertpapiere mit einer ISIN aus Italien ungeprüft ignoriert.


Fazit
Aus den fünf Vorträge geht hervor, wie unterschiedlich Marktteilnehmer am Kapitalmarkt aktiv sein können, obwohl alle einen Anlagezeitraum von mindestens Monaten, oft auch Jahren betrachten. Generell wird die Anlageklasse Aktien aufgrund der Rahmenbedingungen bevorzugt, wenngleich es in den nächsten Wochen bei den Indizes volatil zugehen kann.

Interessant war, dass Alfred Maydorn zum Beispiel die Aktien von Lufthansa und BASF nicht im Depot haben möchte, wogegen die BASF von der Commerzbank als aussichtsreich eingestuft wurde und die Lufthansa im Depot der Vermögensverwaltung Zschaber enthalten ist.

Für mich auffallend war, dass bis auf den letzten Vortrag von der BPM das Thema Deflation keines war. Meist wurde von Inflationsgefahren gesprochen. Dieser Unterschied hat natürlich Konsequenzen, denn bei ausbleibender Inflation sind Anleihen und Bargeld durchaus nicht zu vernachlässigen, wie Herr Günther von der BPM korrekterweise hervorhob.

Positiv nahm ich auf, dass quasi von allen mehrfach gesagt wurde, dass man als Anleger eigenständige Entscheidungen treffen muss und nur das kaufen soll, was man selbst richtig verstanden hat - obwohl natürlich jeder seine Produkte, in Form eine Fonds, Zertifikate oder Abo verkaufen wollte. Das hatte ich früher auch schon anders erlebt.

Zum Weiterlesen:

1 Kommentar:

  1. Hallo,

    sehr interessanter Bericht. Vor allem die Berichte zu den einzelnen Vorträgen geben doch nochmal vielfältige Einblicke in die verschiedenen Ansichten und Strategien der "Experten".

    Ich habe auch schon einmal einen Vortrag von Alfred Maydorn besucht. Das war vor ca. 9 Monaten. Auch damals hat er die YY-Aktie empfohlen, die sich danach zwischenzeitlich tatsächlich im Kurs verdoppelt hat.
    Aber wie verlässlich seine Prognosen sind weiß ich natürlich nicht, diese Anekdote ist mir nur im Gedächtnis geblieben.

    Vielen Dank für deinen Artikel und beste Grüße,
    Jannes

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