Samstag, 13. Oktober 2012

Bericht über den Börsentag Berlin 2012 und Ausblick auf die Finanzmärkte

Heute war in Berlin am Alexanderplatz die Anlegermesse Börsentag Berlin. Natürlich möchten die Aussteller dort möglichst vielen Interessenten ihre Produkte verkaufen oder sie zumindest zu einem Abonnement oder zur Herausgabe von Kontaktdaten bewegen. Ich finde solche Veranstaltungen insofern interessant, wie sich "Profis", also Leute, die sich tagtäglich mit Börse und Finanzmärkten beschäftigen, im Markt positioniert haben. Von dreien der professionellen Marktteilnehmer möchte ich hier in diesem Blog über deren Sicht der zukünftigen Ereignisse berichten.

Grundsätzlich war die Veranstaltung gut besucht und bereits der erste Vortrag um 10 Uhr war eher überfüllt als dass noch freie Sitzplätze zur Verfügungen standen. Ein Großteil der Vorträge handelte von Handwerkzeug für die Marktteilnahme wie Derivate, CFDs, Zertifikate oder sonstiges Trading.
Daneben gab es aber auch Aussteller wie die Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands (VTAD), die Deutsche Bundesbank, die Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin oder Ökologieanlagen wie Miller Forest Investment AG und German Pellets GmbH.

Das Publikum ist bei derartigen Veranstaltungen zu ca. 80% männlich - meist fortgeschrittenen Alters und ca. 20% weiblich. Wobei davon rund die Hälfte eher als Begleitung als aus tieferem Interesse anwesend waren.
Insofern war das auf dem Werbeplakat abgebildete Publikum eher unter den Bediensteten der Aussteller sowie des Veranstalters zu finden.
Geldanlage scheint in der Masse weiterhin eine männliche Domäne zu sein und dort bei den bereits älteren Personen.

Für mich ist kurzfristiges Trading nicht interessant, sondern ich habe mir bei der Auswahl der Vorträge bewusst solche herausgesucht, die zukünftige Ausblicke der Finanzmärkte oder gar ihre aktuelle Asset Allocation präsentierten. Deren Ergebnisse möchten ich jeweils kurz zusammenfassen.


Bernecker Verlagsgesellschaft - Hans A. Bernecker
Warum Aktionäre Gewinner der Eurokrise sind
  • Euro bleibt auf jeden Fall bestehen
  • Griechenland ist aus finanzieller Sicht für die Eurozone nur von geringer Bedeutung
  • In Krisenzeiten muss man als Investor generell massiv investieren, nicht das Geld irgendwo bunkern
  • Selbst ein Ankauf von Staatsanleihen seitens der EZB bis hin zu Spanien könnten wir in der Eurozone verschmerzen
  • In Japan, aber auch in China nicht investieren
  • Europa ist extrem unterbewertet, große Chance für Outperformance gegenüber anderen Regionen in den nächsten 12 bis 24 Monaten
  • US-Präsident Obama würde weiterhin versuchen es allen recht zu machen. USA ist eine Leistungsgesellschaft, Herausforderer Romney wäre wirtschaftlich der bessere Präsident
  • spanische Immobilien sind wegen starker Preisabwertung interessant
  • Aktien von weltweit agierende Unternehmen seien grundsätzlich recht sicher
  • keine große Inflationsgefahr im Euroraum


Vermögensverwaltung Dr. Markus C. Zschaber - Björn Kising
Asset Allocation - Wie verteile ich meine Anlagen?

  • Liquidität sei auf ein Minimum reduziert worden, meist Bundesanleihen mit Rating AAA mit 0 - 1 Jahr Laufzeit
  • Vermögensverwaltung wird auf drei Szenarien umgesetzt, wobei das Szenario mit 70% bevorzugt wird, die Verschuldung in der Eurozone im Laufe der Zeit mit finanzieller Repression zu lösen (Anmerkung: Ich schrieb über finanzielle Repression im Beitrag: Passives Einkommen mit Hochzinsanleihen gegen Geldvernichtung und Altersarmut) und Griechenland tritt aus dem Euro aus. Folge ist eine Deflation in Südeuropa und eher eine Inflation im Nord-Euroraum
    Als Anleger sollte man breit diversifizieren, Krisenstaaten meiden, die Volatilität bleibt hoch und deutsche Unternehmen bleiben gefragt.  
  • Mit einer Wahrscheinlichkeit von 10% wird angenommen, dass die Währungsunion zerfällt. Dann sollte man als Anleger außerhalb der Eurozone investieren
  • Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% wird angenommen, dass alle Staaten - egal wie - gerettet werden (in der Eurozone bleiben). Dann wäre Deflation in Südeuropa und eher eine Inflation im Nord-Euroraum die Folge.
  • Das Wachstum in China bleibt bei mindestens 7-8%
  • Aufgrund obiger Annahmen gibt es drei Beispiele für eine Asset Allocation, wobei der Aktienanteil zwischen 30 und 70% liegt. Als Beispiel wurde eine Aktienquote von 50% gezeigt. Der Aktienanteil besteht zu rund 33% aus Einzel-Aktien (mit hohem Anteil deutscher Titel), 13% ETFs, häufig Value, dazu Unternehmensanleihen (außerhalb der Eurozone) ca. 9,5%, Staatsanleihen von Ländern mit starker Währung wie Norwegische Krone, Kanadischer, Australischer Dollar, ca. 20%, dazu noch Absicherung mit Rohstoffen wie z.B. Gold (sind derzeit eher hoch bewertet) oder Misch-Fonds und Derivaten
  • Grundsätzlich sei es bei der Vermögensverwaltung nicht so entscheidend in Aufwärtstrends überproportional besser als der Durchschnitt abzuschneiden (dort generiere man eher eine Underperformance), sondern in Abwärts- bzw. Crashphasen das Kapital zu schützen

Commerzbank AG - C&M - Thomas Timmermann und Sophia Wurm
Kapitalmarktrends, technische Markteinschätzung und aktuelle Anlagestrategien

fundamental:
  • In Südeuropa gehen die Lohnstückkosten eher zurück (Deflation), im Nord-Euroraum gibt es eher Inflation mit finanzieller Repression, vor allem in Deutschland gute Aussichten auch für 2013
  • DAX wurde mit Fundamentaldaten verglichen und müsste eigentlich bei 9600 Punkten stehen, d.h. er ist deutlich unterbewertet.
  • Gold, China und USA insgesamt moderat positiver Ausblick

charttechnisch:

  • niedriger Euro ist vor allem für Deutschland wirtschaftlich günstig
  • Der Kupfer-Preis (Kupfer ist der Rohstoff, der der Wirtschaft sehr nahe ist) ist auf recht hohem Niveau, ein Zeichen, dass global kein großer Abschwung eingepreist wird
  • Wer Gold hat, sollte es behalten, aber derzeit auf dem Niveau nicht mehr zukaufen
  • S&P500 kurzfristig mit Gefahr von Rücksetzern, aber längerfristig geht es weiter aufwärts
  • Aktien in Europa sind auf breiter Front günstiger bewertet als US-Aktien, daher hat Europa gegenüber USA, aber auch Schwellenländern ein deutliches Überraschungspotential zur Outperformance

Mit der technischen Analystin Sophia Wurm bin ich anschließend noch kurz ins Gespräch gekommen, ob es bei der Chart-Technik eine Rolle spiele den Kurs-Index oder den Performance-Index (also inklusive Dividenden) zu gebrauchen. Sie meinte, für die reine Signalgebung spiele die Auswahl des Index keine Rolle. Dafür sei der Anteil der Dividende auf Sicht von Tagen oder wenigen Wochen zu gering.

Fazit:
Die Stimmung war bei den Vortragenden insgesamt positiv, wobei die Prognosen für Europa, erst recht für Deutschland überraschend deutlich positiv ausfielen. Die sonst häufig zu lesende Angst vor einer galoppierenden Inflation im Euroraum oder Deutschland wurde überhaupt nicht gesehen. Wohl aber eine mittelfristig moderate Inflation bei gleichzeitig niedrig gehaltenem Leitzins oder Aufkäufen von unsicheren Staatsanleihen seitens der Notenbanken und damit einhergehender finanzieller Repression. Das betrifft vor allem diejenigen, die Ihr Geld in vermeintlich "sicheren" Anlagen wie Tagesgeldkonten, Bundesanleihen oder Kapital-Lebensversicherungen liegen haben. Uneinheitlich war der Ausblick für China.

Zum Weiterlesen:

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