Sonntag, 19. Oktober 2014

Was bedeutet Deflation in der Eurozone für uns? Artikelserie - Teil 1

Mittlerweile haben es schon viele Marktbeobachter mitbekommen, dass die gewünschte Inflation in den Industrienationen wie in Japan, in den USA und erst recht in der Eurozone trotz der seit Jahren extrem niedrigen Leitzinsen bislang ausblieb. Die Frage bleibt, wie viele Jahre wir jetzt noch darauf warten wollen? Vielleicht sollte man sich einfach mit dem Gedanken anfreunden, über sehr viele Jahre hinweg ein niedriges Zinsniveau ohne nennenswerte Anstiege der Teuerungsrate zu behalten? Muss dieser Zustand immer etwas negatives bedeuten? Oder kann ein deflationäres Umfeld für Privatleute auch positive Auswirkungen haben? Diesen Fragen möchte ich mit einigen Szenarien und Ideen in einer Artikelserie nachgehen. Im ersten Teil betrachten wir die derzeit vorliegenden Anzeichen eines deflationären Umfeldes.

Zunächst einmal bin ich überrascht, dass selbst professionelle Marktteilnehmer noch immer in Kürze inflationäre Szenarien erwarten. So gerade erst auf dem Börsentag Berlin mehrheitlich festgestellt.
Die Frage, ob Inflation oder Deflation hat auch Auswirkungen auf die strategische Asset Allocation, also die Verteilung der Anlageklassen für den Privatanleger. Selbst die Aussicht, dass weder das eine noch das andere in erheblichem Ausmaß zu erwarten ist, kann eine nicht unwichtige Erkenntnis sein.

Die Kursentwicklung des Aktien-Index der Eurozone
EuroStoxx 50 seit 1990. Seit der starken Übertreibung bis
zum Jahr 2000 ist der Trend übergeordnet abwärts gerichtet,
die jeweils erzielten Hochpunkte werden immer niedriger.
Berücksichtigt werden sollte jedoch, dass die
Dividendenausschüttungen von zuletzt um 3 Prozent p.a. im
Kurs-Chart nicht enthalten sind. Quelle: comdirect.de
Die hohe Verschuldung praktisch aller Staaten in der Eurozone sowie die markante wirtschaftliche Schwäche einiger Staaten dürfte für Sie nichts neues sein, daher möchte ich darauf gar nicht mehr detailliert eingehen. Welche Lösungen es theoretisch überhaupt gibt, die Probleme in der Eurozone zu beseitigen und dass ein wirtschaftliches Herauswachsen aus der Schuldenproblematik, wie gerne von der Politik genannt wird, keine realistische Lösung ist, hatten wir unter anderem im Artikel "Die Krise" gesehen.

Das Dilemma ist derzeit, entweder man erhöht die Verschuldung weiter, mit der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit von Staaten und Banken. Oder man betreibt eine Austeritätspolitik, also eine Sparpolitik. Wegen der verbesserten Bonität sinken in Folge die Zinsen und der Schuldendienst eines Staates schrumpft. Aber gleichzeitig führt staatliches Sparen dazu, dass das Wirtschaftswachstum zurückgeht. Damit würden auch mehr private Haushalte sparen und weniger Geld ausgeben. Beide Szenarien münden nicht in ein Umfeld der Inflation, aber dazu in Teil 2 der Artikelserie mehr.

Wie ist der aktuell Status?
Die Leitzinsen der EZB befinden sich bereits seit Jahren auf einem extrem niedrigen Niveau, zuletzt wurden sie sogar auf 0,05 Prozent gesenkt. Gleichzeitig liegen die offiziellen Inflationsraten in der Eurozone seit dem Herbst 2013 unter 1 Prozent. Zuletzt wurde im September 2014 eine Teuerungsrate von 0,3 Prozent ermittelt. Selbst in Deutschland, mit einer zuletzt gut laufenden Wirtschaft, lag die Teuerungsrate bei 0,8 Prozent.

Lebensmittelpreise
Anders als noch vor zwei bis drei Jahren, als auf die gefühlte Inflation hingewiesen wurde, sprechen mittlerweile auch die konkreten Zahlen eine deutliche Sprache.
Am meisten ist mir persönlich dies bei den Preisen für Kaffee aufgefallen, den es teilweise für über 30 Prozent günstiger gibt als noch vor 2 bis 3 Jahren.
Mittlerweile wird sogar in den Medien davon berichtet. Normalerweise liest man über Preisveränderungen nur, wenn etwas teurer geworden ist. So berichtet die FAZ.net im Oktober 2014:

"Discount-Marktführer Aldi und sein Konkurrent Norma verkaufen Pommes Frites, Kroketten und andere Kartoffelprodukte von Samstag an mehr als 16 Prozent günstiger. Für Zucker zahlen die Kunden der Discounter teilweise sogar 20 Prozent weniger. Aldi begründete seine Preissenkungen damit, dass die Einkaufspreise gesunken seien."
...
"Laut statistischem Bundesamt lagen auch die letzten erhobenen Preise für Paprika, Zwiebeln, Birnen, Äpfel und Mehl mehr als zehn Prozent unter dem Vorjahreswert."
 ...
"... bieten die Discounter Aldi, Norma und Netto ihren Käse teils um mehr als zehn Prozent günstiger an. Daraufhin beeilten sich Edeka, Rewe, Lidl und Penny, ihren Käse ebenfalls günstiger zu verkaufen."

Vergessen sollte man dabei nicht, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland im internationalen Vergleich bereits auf extrem niedrigen Niveau liegen. Das bekomme ich immer wieder von Leuten aus dem Ausland bestätigt, die in Deutschland Supermärkte besuchen. Nicht umsonst hat sich der US-Lebensmittel-Riese Wal-Mart aus Deutschland vor einigen Jahren wieder zurückgezogen. Gegen Aldi, Lidl und Co war kein ankommen.

Preisentwicklung der letzten drei
Monate von Diesel und Super E10
Quelle: clever-tanken.de
Kraftstoffpreise
Die 2011 und 2012 permanenten Berichte über hohe Kraftstoffpreise für Fahrzeuge sind mittlerweile nicht mehr zu lesen. Die Kombination aus sinkendem Ölpreis und einem noch immer relativ stabilen Euro gegenüber dem US-Dollar, trotz des fallenden Eurokurses in den letzten Wochen, hat die Benzinpreise zuletzt wieder sinken lassen. Links ist eine Grafik der Kraftstoffpreise der letzten Monate zu sehen.

Ölpreis
Der niedrige Ölpreis von unter 95 US-Dollar führte jüngst zu einem weiteren Spannungsfeld zwischen Russland und den USA. Rund die Hälfte der Einnahmen für den russischen Staatshaushalt stammen aus dem Export von Öl und Gas. Kalkuliert wurde mit einem Ölpreis von 100 US-Dollar. Der niedrige Ölpreis führt also zu Mindereinnahmen, zumal Russland aufgrund der Sanktionen der EU und USA eh schon finanzielle Einbußen hat. So wirft Russland den USA vor, den Ölpreis vorsätzlich zu manipulieren, um Russland wirtschaftlich zu schwächen. Ob die Vereinigten Staaten von Amerika den Ölpreis tatsächlich manipulieren (können), lasse ich an dieser Stelle dahingestellt.

Weitere Inflationsindikatoren
Nun haben wir uns die offiziellen Preissteigerungen, die Lebensmittelpreise und den Ölpreis bereits angeschaut. Mit dem Inflationsbarometer hatte ich weitere Indikatoren vorgestellt, die man zur raschen Prüfung von Inflationsgefahren verwenden kann. Neben Öl kann auch Gold als eine Art Angstbarometer genutzt werden. 2011 waren die Inflationsängste nahezu weltweit sehr ausgeprägt und damit stieg der Goldpreis auf über 1.900 US-Dollar. Mittlerweile "dümpelt" er im Bereich 1.200 bis 1.250 US-Dollar herum und ein Aufwärtsdrang ist nicht zu erkennen.

Die Umlaufrendite ist die mittlere Rendite sämtlicher im Umlauf befindlicher Anleihen bester Bonität (Bundesanleihen) und ist ein Spiegel des Zinsniveaus am Kapitalmarkt. 2011 lag dieser Wert bei 3 Prozent und ist zuletzt sogar unter 1 Prozent gefallen

Der EURIBOR (Euro Interbank Offered Rate) ist der Zinssatz für Termingelder in Euro und ist zudem Verhandlungsbasis von kurzfristigen Krediten. 2011 lag dieser Wert bei 2 Prozent und ist mittlerweile auf 0,3 Prozent gefallen.

Blicken wir auf die USA. Ziemlicher Konsens ist eine Anhebung der Leitzinsen seitens der Federal Reserve etwa Mitte 2015. Und in der Tat, 2013 stieg die Verzinsung 10-jähriger US-Staatsanleihen auf 3 Prozent. Allerdings ist der Wert mittlerweile wieder auf unter 2,5 Prozent gefallen. Das heißt letztendlich nichts anderes als dass der Markt längerfristig keine hohen Leit-Zinsen einpreist. Angesichts der jüngsten Entwicklung am Aktienmarkt waren von der Zentralbank der USA bereits Stimmen zu hören, die eine Zinsanhebung in Frage stellen.

Preise für Immobilien und Strom steigen
Auf der anderen Seite steigen in beliebten Großstädten wie zum Beispiel Berlin, Hamburg, Frankfurt und München die Preise für Mietwohnungen und der Strompreis steigt. Den Effekt steigender Strompreise kann man heutzutage egalisieren oder sogar überkompensieren. Wer konsequent den Strompreisvergleich mit günstigen Angeboten nutzt und im Haushalt bei Kühlschrank, Waschmaschine, Fernseher, usw. auf eine günstige Energieeffzienzklasse (möglichst A+++) achtet, die Beleuchtung möglichst komplett auf LED umstellt, zahlt womöglich weniger Geld für den Stromverbrauch als noch vor einigen Jahren.

Bei dieser hier genannten Auswahl haben wir gesehen, dass das Preisniveau überwiegend sinkt und lediglich in einzelnen Sektoren ansteigt.
Bei derart niedrigen Leitzinsen der EZB von fast 0 Prozent müsste die Teuerungsrate eigentlich deutlich und zwar sogar beschleunigt über 2 Prozent steigen. Dass sie stattdessen sogar immer weiter absinkt, deutet darauf hin, dass Inflation nun wirklich kein Thema ist.
Aufgrund der zusätzlich unkonventionellen Maßnahmen seitens der EZB steht für Banken jede Menge Liquidität zu Verfügung. Allerdings anstatt Unternehmen mit frischer Liquidität für Investitionen zu versorgen, horten sie das Geld bei der EZB oder kaufen Staatsanleihen von Ländern in der Eurozone.

Das war der erste Teil der Artikelserie "Was bedeutet Deflation in der Eurozone für uns?"
Über die möglichen Gründe der ausbleibenden Inflation und warum wenig investiert wird, sprechen wir im zweiten Teil der Artikelserie. Im dritten und möglicherweise auch vierten Teil betrachten wir zukünftige Szenarien über das Leben im Alltag in einem deflationären Umfeld und die Möglichkeiten, die man als Privatanleger hat, seine Ersparnisse weiter ertragreich anzulegen.

Folgende Artikel der Serie "Was bedeutet Deflation in der Eurozone?" sind bereits erschienen:

Teil 1 - Was sind die Symptome der fehlenden Inflation?
Teil 2 - Was sind mögliche Gründe der Deflationsgefahr?
Teil 3 - Das Leben in einem deflationären Umfeld
Teil 4 - Welche Anlageklassen sollten Geldanleger in einer Deflation bevorzugen?

Zum Weiterlesen:

3 Kommentare:

  1. Am 6.10. war auf ARD @lpha eine Sendung mit Prof. Max Otte zu dessen 50. Geburtstag (in der Mediathek zu sehen). Er meinte die reale Inflation liege zw. 3 und 5%, wenn man die Steigerungen bei Dienstleistungen, Versicherungen und Gesundheitskosten mit dazu rechnet. Er rät auch zu Qualitätsaktien.

    Gruß Mick

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  2. Die Frage ist, wie die Staatengemeinschaft mit der Situation umgehen.


    Zinsen und Rohstoffpreise sind aktuell sehr günstig, ob politische Interessen hier eine Rolle spielen, kann ich nicht beurteilen.
    Aktuell erleben wir nach wie vor ein Wirtschaftswachstum, angetrieben durch den amerikanischen Markt (niedrigste Arbeitslosenzahlen seit vielen Jahren). In der Eurozone scheinen sich erste Eintrübungen anzudeuten, vermutlich durch die Sanktionen in Russland. Den Staaten bleibt keine andere Rolle als weiter umzuschulden und gleichzeitig zu sparen, um Schulden abzubauen. Dann müsste der Leitzins wieder angehoben werden, um eine höhere Inflation herbeizuführen. Die höhere Inflation sorgt für sinkende Staatsschulden. Der Goldpreis wird in der Folge steigen. Die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt würde wieder sinken (aktuell durch Niedrigzinsen in Großstädten überhitzt).
    Das Wirtschaftswachstum könnte mit Anhebung der Leitzinsen wieder abschwächen. Ich bin kein Experte -deswegen korrigiert mich gerne - , aber das sind zumindest meine Beobachtungen.

    Eigentlich gibt es doch für Unternehmen derzeit keine besseren Voraussetzungen zum Investieren (außer die politische Situation). Fehlt es an Innovationen oder gar an der Binnennachfrage? Sind Konsumenten "satt"?

    (Zum Kaffeepreis: Ich war am Samstag einkaufen: Die überwiegende Zahl der Kaffeesorten sollte 5,99 Euro kosten. Der billigste Preis lag bei 3,99 und 1 Angebot bei 4,99 Euro. Alle anderen bekannten Sorten kosteten stolze 5,99 Euro. Wer verdient hier?)

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  3. Der niedrige Ölpreis führt neben wachsender Spannungen zwischen Russland und den USA auch zu erheblichen Belastungen vieler Entwicklungsländer.

    Gerade Länder in Afrika und Südamerika sind sehr stark von Ölexporten abhängig, da die Einnahmen aus dem Öl benötigt werden, um Lebensmittel importieren zu können. Spitzt sich die Lage in diesen Ländern zu, kann dies wiederum wirtschaftliche Auswirkungen auf Europa haben.

    Nach Einschätzung der Deutsche Bank wird eine Euro-Deflation zumindest in diesem Jahr nicht mehr eintreten.

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