Mittwoch, 22. Oktober 2014

Was bedeutet Deflation in der Eurozone für uns? Teil 2 - Was sind mögliche Gründe?

Im ersten Teil der Artikelserie "Was bedeutet Deflation in der Eurozone für uns?" hatten wir uns die aktuellen Symptome wie die zurückgehenden Preissteigerungsraten angeschaut. Im zweiten Teil blicken wir auf mögliche Gründe, warum die von vielen Marktteilnehmern erwartete Inflation bislang ausgeblieben ist und voraussichtlich für eine längere Zeit ausbleiben wird.

Geldmengenausweitung und Inflation
Nach der gängigen Theorie der Ökonomen soll eine Ausweitung der Geldmenge - wie es die großen Zentralbanken seit Jahren tun - automatisch zu ansteigenden Inflationsraten führen. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass nur das Geld inflationäre Auswirkungen haben kann, welches auch tatsächlich in den Umlauf gelangt. Nur wenn ein Großteil der Menschen mehr Geld zur Verfügung hat, steigt die Kaufkraft. Solange es lediglich zwischen den Banken zirkuliert, bleibt der inflationäre Einfluss aus.

Nicht nur in den Aktienmarkt landete viel Liquidität, sondern
auch im Anleihenmarkt. Der Bund Future ist eine fiktive,
langfristige Bundesanleihe mit einem Kupon von 6 Prozent
und einer Laufzeit von 10 Jahren. Seit dem Ausbruch der
Finanzkrise im Jahr 2008 erfolgte ein deutlich steilerer
Anstieg als in den Jahren zuvor. Quelle: comdirect.de
Wobei dies nicht so ganz stimmt, denn wenn große Geldinstitute viel Liquidität zur Verfügung haben, aber nicht so recht wissen wohin damit, wird es offenbar in Vermögenswerte investiert. Diese sogenannte Vermögensinflation (oder auch Asset-Inflation) konnte in den letzten Jahren seit Beginn der Finanzkrise beobachtet werden. Denn die üppig vorhandene Liquidität, die in der Wirtschaft offenbar nicht ankommt, scheint zum einen im Anleihenmarkt (siehe Abbildung links) gelandet zu sein, zum anderen im Aktienmarkt und punktuell in Immobilien.

Im Standardfall muss es bei einer nachhaltigen Inflation - neben der Preissteigerung für Dienstleistungen und Güter - auch zu großflächig steigenden Löhnen kommen. Sonst sinken die Reallöhne (da das Einkommen weniger wert wird) und die Mehrheit der Bevölkerung kann sich die höheren Preise gar nicht leisten. Steigende Preise und gleichbleibende Löhne bedeuten Kaufkraftverlust und damit wirkt diese Kombination deflationär.

Zu einer aufkeimenden Inflation muss die Fülle an Liquidität in die Wirtschaft und letztendlich zur Bevölkerung gelangen. Aber dort kommt es aus irgendwelchen sonderbaren Gründen nicht an.
In einem Artikel des manager-magazin wurde sogar augenzwinkernd vorgeschlagen, statt den Banken, lieber allen Menschen 10.000 Euro in die Hand zu geben, damit das Geld dort ankommt wofür es gedacht ist.

Aber warum ist die Kreditvergabe der Banken so defensiv? Nach meiner Recherche lässt sich dieses Verhalten zu drei möglichen Gründen zusammenfassen.
  • Banken vergeben weniger Kredite, um höhere Eigenkapitalquoten zu erfüllen (Basel III).
  • Aus der Wirtschaft kommt eine zu geringe Kreditnachfrage
  • Banken vergeben vorwiegend Kredite an Unternehmen, deren Kapitaldecke ohnehin üppig ist, andere Kreditnehmer könnten ein zu hohes Risiko darstellen
Wahrscheinlich spielen alle drei Gründe zu einem gewissen Teil eine Rolle. In der Tat werden Investitionen von Unternehmen derzeit nur recht defensiv getätigt, schauen wir uns doch einmal mögliche Gründe an, warum so wenig investiert wird.

Warum wird wenig investiert?
Viele große Unternehmen in Europa und in den USA sitzen auf enorme Liquiditätsreserven. Während die Staaten in Europa sowie generell in vielen Industrieländern unter hohen Schulden leiden, schwimmen die Konzerne regelrecht im Geld. Obwohl viele Unternehmen eine hohe Rentabilität vorzeigen können, wird in vielen Fällen immer weniger investiert. So rief vor einiger Zeit auch Larry Fink, CEO des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock, die Unternehmen dazu auf mehr zu investieren.
Auch Unternehmen halten sich
mit Investitionen in Europa zurück
und horten Liquidität.

Grundsätzlich ist es für Unternehmen einfacher die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken als riskante Investitionen mit unbekanntem Ausgaben zu tätigen. Hinzu kommt, dass in vielen Fällen dem Management vor allem Anreize für kurzfristige Gewinnsteigerungen gegeben werden. Eine wirklich längerfristige Sicht auf Profite, mit einigen zunächst nur mäßig guten Quartalen, erlebt man am ehesten noch bei nicht börsennotierten Unternehmen.

Das betrifft aber nicht nur europäische Konzerne, sondern auch die Großunternehmen in den USA. Google gehört da zu den wenigen Ausnahmen, die relativ viel Geld in die Hand nehmen, um neues auszuprobieren. Von diesen Versuchen geht natürlich auch einiges schief, aber auf diese Weise gelangt über kurz oder lang irgendwann wieder ein neuer großer Wurf.
Erst vor wenigen Tagen wurde Google an der Börse "leicht abgestraft", unter anderem weil wegen der Versuche neues Terrain zu entdecken, der Gewinn letztendlich wegen der aufgebrachten Kosten etwas geringer ausfiel als erwartet.

Apple und Microsoft hingegen haben ebenfalls hohe Liquiditätsreserven, aber es wird derzeit offenbar mehr an der Optimierung von bestehenden Produkten gearbeitet als richtige Neuigkeiten vorzustellen. Immerhin zahlt Apple seit einigen Jahren - im Gegensatz zu Google - eine quartalsweise Dividende.

Aber zurück zu Europa. Selbst wenn man die aktuellen wirtschaftlichen Probleme einmal ausklammert, ist Europa aus Sicht von Unternehmen nur mäßig attraktiv. Zum einen gibt es in Nord-, West- und Mitteleuropa weltweit betrachtet im verarbeitenden Gewerbe die höchsten Lohnkosten. Oft höher als in den USA oder Kanada. Dazu kommt eine in den kommenden Jahren und Jahrzehnten schrumpfende und vergleichsweise ältere Bevölkerung in Europa, was nachlassende Nachfrage und nur geringe Wachstumsraten bedeuten.
Für Unternehmer sind Standorte mit niedrigen Kosten und guten Wachstumschancen attraktiv, wie zum Beispiel die Schwellenländer, insbesondere in Asien.
Natürlich gibt es dort wieder andere Probleme, aber es geht hier um einige übergeordnete Grundsätze.

Europa ist bekannt für seine traditionelle Industrie wie Elektrotechnik, Chemie oder Fahrzeuge. Gerade Deutschland tut sich hier besonders hervor. Die digitale Entwicklung geht aber an Europa vielfach vorbei. Großkonzerne wie Apple, Google oder Samsung befinden sich in Asien und den USA. In Europa ist dieser Sektor ziemlich bescheiden vertreten. Die zunehmende Digitalisierung unserer Welt könnte bestehende Wertschöpfungsketten und damit das Wettbewerbsumfeld modifizieren oder gar deutlich verändern. Zu diesem Thema ein Artikel im manager-magazin.

Ok, halten wir fest: Die bereitgestellte Liquidität der EZB gelangt lediglich zu den Banken und höchstens teilweise in den Wirtschaftskreislauf. Der Grund dafür mag zum Teil bei den Banken selbst liegen, aber auch bei den Unternehmen, die einen weniger als früher ausgeprägten Anreiz zum Investieren haben.

Auch Privathaushalte mit vielen Schulden
Jetzt kommt ein weiterer Aspekt dazu. Hoch verschuldete Staaten auf der einen Seite, aber es sind auf der anderen Seite auch Privathaushalte in Europa ziemlich stark verschuldet. Seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich die Verschuldung in Prozent zum BIP (Bruttoinlandsprodukt) in vielen Ländern nicht verbessert, wie die Schweizer nzz.ch schrieb.
Eine hohe Verschuldung oder sogar Überschuldung führt am Ende zu einer Deflation. Wegen des Zinseszins muss jemand mit einer hohen Schuldenlast einen immer größeren Zinsanteil aufbringen, wodurch weniger Geld für den Konsum zur Verfügung steht. Wenn viele Menschen hoch verschuldet sind, erfolgt eine Reduzierung der Massenkaufkraft. Unternehmen müssen daraufhin ihre Waren und Dienstleistungen günstiger anbieten und geraten auf diesen Weise in einen Preiskampf mit niedrigeren Margen.

Schauen wir uns das Wirtschaftswachstum - speziell in der Eurozone - im globalen Vergleich an. Auf Wikipedia gibt es eine schöne Übersicht des BIP und dessen Entwicklung. Wie wir alle wissen, waren die Wachstumsraten in der Eurozone ziemlich überschaubar. Die USA und Japan hatten bessere Werte in 2013.
Beim Blick in die Zukunft, also in das Jahr 2015, offenbart sich keine markante Verbesserung. In einem Artikel des "The Wall Street Journal" heißt es:

"Der IWF beziffert das Risiko, dass die Eurozone im nächsten Jahr in die Rezession fallen könnte, mit fast 40 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit fallender Verbraucherpreise – ein Phänomen, das als Deflation bekannt ist – liegt demnach für die Eurozone aus 18 Mitgliedstaaten bei rund 30 Prozent. Dieses Risiko ist weitaus höher als noch vor einem halben Jahr und ebenfalls weitaus höher als die Gefahr ähnlicher Schocks in den USA."


Fazit
Die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone ist mau und wird sich vorläufig auch nicht signifikant verbessern. Viele Staaten sind enorm verschuldet, dazu kommt eine nicht unerhebliche Verschuldung von Privathaushalten und eine schrumpfende Bevölkerung. Übergeordnet betrachtet sind das keine Rahmenbedingungen, die Europa zur Wachstumslokomotive der Welt machen werden. Man sollte sich auf eine längere Zeit schwachen Wirtschaftswachstums, niedriger Zinsen (warum sollten diese steigen?) und nahezu Preisstagnation oder sogar sogar Preisrückgang einstellen. Welche Auswirkungen dieses Szenario mutmaßlich auf das tägliche Leben haben, schauen wir uns im nächsten Teil der Artikelserie an.

Folgende Artikel der Serie "Was bedeutet Deflation in der Eurozone?" sind bereits erschienen:

Teil 1 - Was sind die Symptome der fehlenden Inflation?
Teil 2 - Was sind mögliche Gründe der Deflationsgefahr?
Teil 3 - Das Leben in einem deflationären Umfeld
Teil 4 - Welche Anlageklassen sollten Geldanleger in einer Deflation bevorzugen?

Zum Weiterlesen:

2 Kommentare:

  1. Toller Artikel.. bin gespannt auf Teil 3 und Teil 4!

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  2. Geht mir genauso, ich bin gespannt auf die nächsten beiden Artikel. Je länger umso besser
    :-)

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